Gedenkansprache von Landtagspräsident Hendrik Hering zum Tod Helmut Kohls

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Wir gedenken dem ehemaligen Bundeskanzler und Ministerpräsidenten Dr. Helmut Kohl. 

Viele von uns haben ihn persönlich kennengelernt. In der heutigen Parlamentarischen Gedenkstunde wird auch diese persönliche Verbundenheit ihren Ausdruck finden. Vor allem aber soll das politische Wirken Helmut Kohls gewürdigt und auf seine Bedeutung für die Gegenwart befragt werden.  

Geprägt war Helmut Kohl durch seine Erfahrungen als Jugendlicher während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit. Als Helfer in einem Feuerlöschzug muss er als Vierzehnjähriger in Ludwigshafen Schreckliches gesehen haben. Sein älterer Bruder ist 1944 gefallen, er selbst entging nur knapp dem Einsatz als Flakhelfer. Die Aussöhnung mit Frankreich, aber auch die Freundschaft zu Luxemburg und Belgien waren daher leitend für das politische Leben Helmut Kohls. 

 

Als junger Mann erlebte er die Entstehung der Montanunion und der Europäischen Gemeinschaften für Kohle und Stahl, als Bundeskanzler konnte er durch die Maastrichter Verträge die Europäische Union zu ihrer heutigen Form weiterentwickeln. Er war ein entschiedener Europäer und sah Deutschland als Teil eines föderalen Europas. 

Der Föderalismus war eine der politischen Leitlinien im Leben Helmut Kohls. Als Fraktionsvorsitzender im Landtag und später als Ministerpräsident schätze er die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern und die Gestaltungsmöglichkeiten der Landespolitik. Als Bundeskanzler respektierte er die Länder. Eine föderale Ordnung Europas, die von den Nationalstaaten Kompromissbereitschaft und Kompetenzverzicht fordert, ängstigte ihn nicht.   

Helmut Kohl war ein Politiker, für den der Erhalt des Friedens in Europa die größte Bedeutung besaß. Deshalb hat er als Bundeskanzler die Entspannungspolitik der sozial-liberalen Vorgängerregierungen fortgesetzt und 1989 das Vertrauen in West- und Osteuropa besessen, welches eine friedliche Vereinigung Deutschlands möglich machte.   

Den Zusammenbruch des Staatssozialismus haben die Menschen in der DDR herbeigeführt. Helmut Kohl konnte dazu beitragen, ein militärisches Eingreifen der Sowjetunion zu verhindern, und er hat die historische Chance genutzt, ein einiges Deutschland zu schaffen. Dafür gebührt ihm unsere Anerkennung und unser Dank.  

Es gehört darüber hinaus zu seinen Verdiensten, die endgültige Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu Polen durchgesetzt zu haben – auch gegen Widerstand in der eigenen Partei. Erst damit konnte eine dauerhafte Friedensordnung in West- und Mitteleuropa etabliert werden.   

In der Nachkriegszeit war die Geburts- und Heimatstadt Helmut Kohls, Ludwigshafen, eine der wenigen Industriestädte im ansonsten hauptsächlich landwirtschaftlich geprägten Rheinland-Pfalz. Nach dem Schulabschluss führte das Studium Helmut Kohl zunächst nach Frankfurt, später nach Heidelberg. Das Erlebnis des Gegensatzes zwischen den Städten, in denen er wirkte, und den Dörfern der Pfalz, deren Lebensbedingungen oftmals noch an den Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erinnerten, hat Helmut Kohl zu einem entschiedenen Modernisierer des Landes werden lassen. Mit seiner Regierungszeit als Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz sind unter anderem die Abschaffung der Bekenntnisschulen zugunsten christlicher Gemeinschaftsschulen und die Kommunalreform von 1974 verbunden, die mit der Einführung der Verbandsgemeinden die rheinland-pfälzische Kommunalverfassung prägt.   

Noch in einer weiteren Hinsicht war Helmut Kohl ein Erneuerer. Als Vorsitzender auf Landes- und auf Bundesebene entwickelte er die CDU von einer Partei mit vielen Wählern, aber vergleichsweise wenigen Mitgliedern, zu einer modernen Mitgliederpartei mit lebendigen Ortsverbänden. Auch gelang es ihm immer wieder, bedeutende Persönlichkeiten wie Bernhard Vogel, Heiner Geißler und Rita Süssmuth für die Mitarbeit in der CDU zu gewinnen.  

Helmut Kohl war daher nicht nur ein Staatsmann, er verleugnete nie, zugleich ein entschiedener Parteipolitiker zu bleiben. Auch wir sollten uns die Bedeutung von Parteien gerade in der heutigen Zeit bewusst machen. Zwar werden sie oftmals als unvollkommen wahrgenommen, Entscheidungen brauchen lange Zeit und in ihnen finden sich allzu oft persönliche Rivalitäten und Eitelkeiten. Dennoch gibt es kein besseres Werkzeug, um in einer Demokratie politisch Einfluss zu nehmen. Es ist kein Zufall, dass viele Gruppierungen, die als Bewegungen begonnen haben, zu Parteien geworden sind, als es galt, Verantwortung zu übernehmen.  

Prägend für Helmut Kohls politisches Denken war die katholische Soziallehre. Der gesellschaftliche Zusammenhalt im Inneren war ihm daher ebenso wichtig, wie die europäische Solidarität in der Außenpolitik. Eine am Gemeinwohl orientierte Politik musste für ihn immer auch die Bedürfnisse der Schwächsten im Auge behalten. In der Regierungszeit als Ministerpräsident zeigte sich das z.B. bei der Einrichtung der Sozialstationen durch den damaligen Sozialminister Heiner Geißler. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen hat sich die Situation der Sozialstationen heute im Vergleich zu den 70er Jahren verändert. Der Staat hat seiner Verantwortung in der Zusammenarbeit mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege gerecht zu werden.  

Die Arbeiterstadt Ludwigshafen und die katholische Soziallehre haben bei Helmut Kohl auch zu einem Verständnis für die Forderungen der Arbeiterschaft geführt. Eine Politik, die ausschließlich die Interessen der Wirtschaft und der Arbeitgeber im Blick hatte, lag ihm fern. Hierfür steht unter anderem die sechzehnjährige Kabinettszusammenarbeit mit seinem Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm. Wir sollten es als ein Vermächtnis von Helmut Kohl begreifen, den sozialstaatlichen Konsens, der die Bundesrepublik ausgezeichnet hat, über die parteipolitischen Grenzen aufrecht zu erhalten.  

Politik als Beruf bedeutet lange Arbeitstage, Termine an Wochenenden und häufige Abwesenheit von der Familie. Hinzu kommt die ständige Beobachtung durch die Öffentlichkeit. Darüber hinaus herrschte in den 60er und 70er Jahren innerhalb der Familien noch ganz überwiegend eine traditionelle Rollenverteilung. Politikfreie Wochenenden waren undenkbar, und bis die Idee der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Gesellschaft und der Politik Fuß fasste, sollte noch viel Zeit vergehen.  

Über höchstpersönliche Bereiche  zu urteilen, steht uns nicht zu und es sollte auch bei Politikern Beachtung finden.  

Mit Helmut Kohl ist ein großer Staatsmann von uns gegangen. Er hat Deutschland und Europa geprägt und verändert. Dafür gebührt im unser aller Dank. 

Im Lebenswerk eines jeden Politikers gibt es Ereignisse und Handlungen, über die es sich lohnt, zu diskutieren. Dies soll und wird in den kommenden Monaten und Jahren geschehen. Der heutige Tag  steht im Zeichen des ehrenden Andenkens. In Gedanken sind wir bei seinen Angehörigen.

 

 

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